In 328 Tagen um die Welt – eine Traumreise ist Geschichte

Eine Traumreise geht zu Ende und wir sind dankbar und glücklich, dass uns diese vergönnt war. Sie dauerte 328 Tage, führte uns auf 4 Kontinente, in 20 Länder mit 17 Währungen, ließ uns in ca. 116 unterschiedlichen Unterkünften schlafen und noch öfter den Rucksack packen. Genau 24 Mal stiegen wir in ein Flugzeug und sind tausende Kilometer mit den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln gefahren. Im Gepäck haben wir nun ungezählte bereichernde Begegnungen, Erinnerungen, Erfahrungen, Glücksmomente und einige wenige Schrecksekunden.

Wir freuen uns auf zu Hause, auf Familie und Freunde, auf Patenkinder, auf viel reden (Anke) und auf wenig reden (René), auf die Gesellschaft von spielwütigen Kindern und die Schule (Felipe), auf frisches Schwarzbrot und Bäckerbrötchen, auf Obsttorte, Klöße, Rotkraut, Knödel und Gulasch, auf Knacker, Quark, Glühwein und Weihnachtsmarkt, auf Radfahren, auf das Auswärtsspiel der Wismut in Leipzig usw.

Und bald werden wir von neuen Zielen träumen: von Kanada, Kolumbien, Kuba, Mexiko mit seinen Maya-Stätten, den San Blas Inseln in Panamà, von Chile, Bolivien, China, Neuseeland, Indien, Alaska, dem Yellowstone Nationalpark, Botswana, vom Kilimandscharo, der Serengeti und Sansibar in Tansania, den Viktoria-Fällen in Simbabwe, einer Fahrt mit der transsibirischen Eisenbahn usw., um die zu nennen, die uns „spontan“ einfallen.

Haben wir „die Welt“ gesehen?

Nein, sicher nicht. Ungefähr 195 Staaten gibt es, zwanzig (wir zählen Puerto Rico mal einzeln) haben wir in den letzten elf Monaten bereist oder zumindest durchkreuzt. Aus früheren Reisen – vornehmlich in Europa – kommen noch ca. fünfzehn dazu, ergibt 35 Staaten. Das sind knappe schlappe 18 Prozent bzw. 165 graue, zum Teil riesige Flächen auf unserer „Freirubbel-Weltkarte“. Würden wir jedes Jahr drei Länder schaffen, könnten wir uns im Alter von 93 Jahren zur Ruhe setzen. Sicher muss man nicht alles gesehen haben, aber die Hälfte wäre schon toll: macht bei realistischeren zwei Zielen pro Jahr ein Reiserentenalter von 79 Jahren. Oooookay. Warum gibt es eigentlich keinen „Reiserentenbescheid“, der einem so etwas Erschreckendes mal vorrechnet?

Erfolgsaussichten also düster, aber wir bleiben dran. 🙂

In den kommenden Tagen werden wir noch über Finanzen, Tipps und Tricks und vom Ankommen berichten.

Das letzte Bier ist ein Heineken

Ich sitze auf unserer kleinen Terrasse, das letzte gekühlte Bier steht vor mir und es ist nicht sonderlich gut. Noch immer zeigt das Thermometer knappe 30 Grad und so schwitzen wir zusammen, während wir wortlos diesen letzten Abend teilen.

 

Morgen fliegen wir nach Hause. Puerto Rico war ein gutes letztes Ziel, mit einem tollen Strand und kristallklarem Wasser, auch wenn es hier eindeutig zu viele Autos gibt und es uns manchmal zu warm war. Wie wir hörten, brauchen wir uns darüber zu Hause derzeit nicht den Kopf zu zerbrechen.

Leider haben wir es nicht zu den hiesigen Hauptattraktionen, den biolumineszierenden Buchten geschafft bzw. sollen diese laut letzten Informationen in einem so kritischen Zustand sein, dass sich Anreise und der deftige Tourpreis nicht gelohnt hätten. So haben wir es ruhig angehen lassen und dem Leben sowie einigen WM-Vorrundenspielen zugeschaut. Einiges haben wir nicht verstanden: Warum gibt es hier so viel Light-Bier? Warum gibt es Abends dort keine Snacks mehr, wo man mitttags bei über 30 Grad noch warme Gerichte bekommt? Warum sind überall Massen von Autos unterwegs und die Parkplätze oft voll, obwohl vergleichsweise wenig Leute zu sehen sind?

Wir wissen es nicht und es wird ihr Geheimnis bleiben. Anyways, Time over. Noch 127 km müssen wir es morgen zurück zum Flughafen in San Juan schaffen. „Deutschland wir kommen und kaufen Deine Bäcker und Fleischer leer!“ Und es soll mich der Blitz treffen, wenn ich noch mal behaupte, „unser Bier sei über die Jahre schlechter geworden“. Ich hatte ja keine Ahnung, was hier ein Mann so schlucken und dafür noch 2,55 US$ auf den Tisch legen muss.

Es mischen sich Zufriedenheit, Wehmut und Vorfreude, während der Ventilator auf Hochtouren läuft und von draußen noch einmal ein herrlicher Hauch von Ylang-Ylang (übersetzt „Die Blume der Blumen“, unten im Bild die gelbe, fleischige Blüte) ins Zimmer weht. Angeblich ist es der wichtigste Inhaltsstoff von Chanel No 5. Dabei sieht die „Blume der Blumen“ eher aus wie ein Baum. Wer hätte das gedacht?

Wir melden uns nach unserer Ankunft wieder. Außerdem wird es noch einige Artikel zu Rückblick, Tipps, Finanzen usw. geben.

PS: Hat es irgendjemand mit uns bis zu diesem 102. Beitrag geschafft? Es wäre ein guter Zeitpunkt, einen Kommentar zu hinterlassen! 😉

Puerto Rico – America meets the Carribean

Wir landeten in Puerto Ricos Hauptstadt San Juan im Hotel San Jorge (60$ im DZ). Der historische Stadtkern ist so gut wie vollständig durchsaniert und die von den Spaniern errichtete Festung war einen Ausflug wert. Bis heute ist Spanisch die erste Sprache im Land geblieben.

Das Örtchen Playa Naguabo liegt im Südwesten der Hauptinsel und die gebuchte Unterkunft erwies sich als absoluter Glücksgriff: Großes Zimmer mit Klimaanlage und Pool (80$ inkl. Frühstück), die wundervollen Gastgeber Dawn und Josue, sowie die kleine Lyla und komplettiert von Klaus, einem Arzt der dänischen Luftwaffe. Drei tolle Tage, in denen wir mit Klaus den Urwald erkundeten, die großen Männer zusammen tauchen gingen und abends alle gemeinsam ein saftiges Rindersteak auf den Grill legten.

Wir wären gern länger geblieben, aber unsere Bleibe in Isabela war bereits gebucht. Hier werden wir nun an der allerletzten Station unsere elfmonatige Reise unter karibischer Sonne ausklingen lassen. Ohne „anliegende“ Organisation fühlt sich das fast wie Urlaub an. Noch 6 Tage…

Endspurt beginnt

Um 3:41 Uhr startete unser Flieger in Manaus, Landung um 6:30 Uhr in Panama und übermüdet weiter nach einem laaangen Tag am Flughafen um 19:08 Uhr nach San Juan, Puerto Rico.

Felipe in Panamà am Flughafen

Die zwölf Stunden Aufenthalt in Panamà zogen sich wie Kaugummi, aber immerhin konnten wir das 4:0 unserer Elf verfolgen. Wir sind nun in Puerto Rico und wollen morgen erst mal richtig ausschlafen:

Lost in translation – Gastfreundschaft auf Brasilianisch

Felix, der Junge von nebenan, winkt uns freundlich vom Dach zu, als wir von unserem die geringen Erwartungen unterbietenden Ausflug ins Zentrum zurückkehren: Kein Zweifel, schon nach 3 Tagen gehören wir ein bisschen zum Inventar der Nachbarschaft. Die Menschen vom sonst verschlafenen Stadtteil Redençao scheinen stolz, dass sogar hier auf „Ihrem Berg“, fast 45 Busminuten außerhalb des Zentrums, internationale Gäste mit Kindern zu Besuch gekommen sind.

Nachbarskinder kommen vorbei und spielen mit Felipe im kleinen Hof, im Shop nebenan bekommt er einen Luftballon geschenkt und jeder ist trotz sprachlicher Kommunikationsbarriere sehr um uns bemüht. Der Kioskbesitzer zeigt bei der Ermittlung der Gesamtsumme auf jeden Artikel, tippt dann den Preis in den Taschenrechner, wartet auf meine Zustimmung und fährt dann fort. Nicht den kleinsten Zweifel an der Korrektheit des Gesamtpreises möchte er zulassen. Bis spät in die Nacht erledige ich furchtlos kleine Einkäufe bei ihm, fünf Gehminuten durch geschmückte Straßen von unserem Quartier entfernt und fühle mich, obwohl weit und breit keine Polizei zu sehen ist, so sicher wie an bisher wenigen Orten unserer Reise.

Unsere Homestay-Vermieter Mara und Maosi sind tolle Gastgeber und wir fühlen uns jederzeit willkommen, obwohl wir ihre freundlich klingenden Worte oft nur mit einem Schulterzucken und einem hilflos gelächelten „No entiendo“ (ich verstehe nicht) quittieren können.

Aber ich mache es mir zur Gewohnheit, beiden ein kühles Bier von „meinem“ Kiosk mitzubringen, das wir mit einem „Cin-Cin“ (Prost!) bei Fußball und neuen „No-Entiendo“-gespickten Dialogen leeren. Es ergibt sich, dass wir am letzten Abend gemeinsam jeweils unterschiedliche Dinge kochen und anschließend alles teilen. Wir lachen, als Mara uns lehrt, dass Messer auf portugiesisch wie „Fuck“ klingt („faca“), erfahren, dass Paranüsse „Kastania“ genannt werden und am Baum in seltsamen hölzernen Schalen, die jeweils ca. 20 Einzel-Nüsse enthalten, wachsen. Das Essen wird gelobt, wobei wir es ernst meinen und Mara unseren Spirelli und der Mischung aus Ketchup, Dosenmais und Tomaten wohl eher aus Hoflichkeit das Prädikat „Mutsche Bong“ (sehr gut) verleiht.

Es wird ein herzlicher Abend und eine noch herzlichere Verabschiedung. Als wir ins Taxi steigen, sehen beide ein wenig traurig aus und wir müssen versprechen, eines Tages wiederzukommen.

PS: Skurril schien eine Fernsehsendung namens „Programa Silvio Santos„, die am Sonntagabend im TV lief. Der komplette Sinn und Verlauf der Sendung blieben rätselhaft und stellte alles in den Schatten, was wir bisher auf deutschen Sendern als sinnfrei abkanzelten, daher beschränkt sich die Schilderung auf die pure Aufzählung: Silvio Santos trägt Anzug und Goldring und hat ein Gesicht, dass an Wachs erinnert, so wie Barbies Ken mit 75 Jahren aussehen mag. Er befragt hin und wieder 3 Starkandidaten, führt Interviews mit meist weiblichen Studiobesuchern und wirft von Zeit zu Zeit großkotzig und gönnerhaft Geld ins Publikum, um das dieses sich dann regelrecht balgt. Ab und an kommt noch ein Clip mit „versteckter“ Kamera. Diese Mischung definiert Nonsense und Peinlichkeit von Fernsehsendungen vollkommen neu. Hier die Website zur Sendung, Suchergebnisse bei youtube liefern Beispiele…

http://www.sbt.com.br/programasilviosantos/

Wir sind im WM-Fieber

Nachdem die Iguaçu-Fälle am letzten Tag zwar öffneten, für ein Drittel des eigentlich zum Park gehörenden Gebiets aber den vollen Eintritt aufriefen, verzichteten wir. Hilft nichts, müssen wir später noch mal wiederkommen.

Die Abreise klappt auch nicht gerade wie geschmiert: Wer sich 5:30 Uhr mit der ganzen Familie aus dem Bett quält, findet 90 Minuten Verspätung wegen „am Flugzeug durchzuführenden Routinetests“ weder witzig, noch besonders Vertrauen erweckend, zumal damit der Anschlussflug in Sao Paulo nicht mehr zu schaffen ist und aus einer Umsteigezeit von 70 Minuten epische 10 Stunden werden. Wir nutzen die Zeit und holen unsere Tickets für unser WM-Highlight England vs. Italien ab, drücken uns dann stundenlang zwischen den Terminals herum und gönnen uns sündhaft teuren Kaffee und Fast Food, beides in eher trauriger Qualität.

In unseren letzten beiden Stunden sollte eigentlich das Eröffnungsspiel der Fußball-WM unsere Zeit verkürzen und ich bin mir sicher, dass es auf vielen der am Flughafen reichlich zu findenden, riesigen Bildschirme zu sehen sein wird, wir sind schließlich sogar in der richtigen Stadt. Der Anstoß naht und wir haben Mühe die kleine FIFA-Ecke mit der Übertragung zu finden. Dort hat man ca. 6 Bildschirme in Augenhöhe an eine Wand gehängt, was dazu führt, dass bereits in fünfter Reihe nichts mehr zu sehen ist. Der Andrang ist viel zu groß. Vorbei am riesigen Videowūrfel der in Terminal 1 von der Decke hängt und in Endlosschleife einen weichgezeichneten Samsung-Werbespot zeigt, verlassen wir entnervt das Gebäude um etwas frische Luft zu schnappen. In der Ferne ist Feuerwerk zu vernehmen.

Ich lege alle Hoffnung in den Abflugbereich, wir passieren die Sicherheitskontrolle und finden in einem Zeitungskiosk immerhin einen hoch hängenden, 80 cm Fernseher um den sich geschätzt 250 Leute versammelt haben. Ich versuche mir den Gedanken zu verkneifen, dass das in Deutschland sicher besser geklappt hätte.

Wir landen mit 30 Minuten Verspätung gegen 0:10 Uhr in Manaus und werden abgeholt. Toll, das heute doch noch etwas klappt!
Nach langer Recherche vor einem halben Jahr war das Zimmer, dass Marilia im Haus Ihrer Eltern für 55 Euro pro Nacht inkl. Frühstück vermietet, die einzige bezahlbare Unterkunft der Stadt. Wir landen also in einer für Brasilien vermutlich durchschnittlichen Wohngegend in einem ganz normalen Haushalt. Marilias Eltern nehmen uns freundlich auf, auch wenn die Kommunikation mangels Portugiesisch-Kenntnissen schwierig ist. Obwohl angeblich mit dem Spanischen eng verbandelt, enden Kommunikationsversuche häufig in einem verständnislosen Kopfschütteln. Die Sprache klingt ein wenig wie abgehacktes Spanisch, in das willkürlich Zischlaute, sowie „ais“ und „ao“ eingefügt wurden und das man mit riesigen Zahnlücken und einem Tischtennisball im Mund spricht. Insgesamt landet es phonetisch in unserer Sprachen-Beliebtheitsskala eher auf den hinteren Plätzen.

Wir sind relativ faul und beschränken uns vorerst auf die nähere Umgebung. Die Straßen der einfachen Nachbarschaft sind aufwendig geschmückt, die kleinen Läden voller WM-Souvenirs und alle tragen stolz die Nationalfarben ihrer Seleçao. Zumindest hier ist von Demonstrationen, Boykott oder gar Gewalt nichts zu sehen, ja nicht einmal Polizeipräsenz scheint angesichts der wahrgenommenen friedlichen Stimmung um uns herum notwendig zu sein.

Der große Tag ist gekommen und wir machen uns auf den Weg zur „Arena da Amazonia“. Die Stimmung ist ausgelassen, wir tragen stolz lila-weiß und Felipe trötet fröhlich, ausdauernd und nervtötend vor sich hin. Der Stop am hochoffiziellen FIFA-Fanshop-Stand ist hingegen weniger begeisternd: weder wissen die armen Mädels hinter dem Tresen, was die Dinge kosten, noch funktionieren die Kassen oder ist Wechselgeld in ausreichender Menge vorhanden. Wir gehen zu unseren Plätzen, entscheiden uns dazu, England die Daumen zu drücken und schlagen uns damit auf die Seite der späteren Verlierer. Macht nichts, die La-Ola-Welle schwappt durch’s Rund, alles ist friedlich, die Stimmung begeistert, wir wundern uns aber etwas über die nicht wenigen frei gebliebenen Plätze. Für den Weg zurück nehmen wir den öffentlichen Bus und auch hier werden wir mit Hilfsbereitschaft überschüttet: schon bald scheinen die Hälfte der Passagier damit beschäftigt, unsere behütete Heimkehr sicherzustellen. Es werden Routen diskutiert und Bekannte angerufen um gemeinsam zum Schluss zu kommen, dass alles korrekt sei und wir faktisch direkt vor unserer Haustür landen. Wir verabschieden uns, schütteln Hände und wünschen viel Glück für den weiteren Turnierverlauf.

Es hat Spaß gemacht, hier zu sein, die Brasilianer sind freundlich, nur ausgeprägtes Organisationstalent scheint nicht zu ihren großen Qualitäten zu zählen. Das ist aber nicht wirklich schlimm.

Heute Abend steigen wir ins Flugzeug nach Puerto Rico, wo wir unsere lange Reise strandlastig ausklingen lassen. Fast möchte man es Urlaub nennen. Noch genau 14 Tage bis zur Landung in Deutschland. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen.

Iguazu Falls – Der Urwald läuft über

Schon vor unserer Reise stand fest, dass wir die direkt an der Grenze zwischen Argentinien und Brasilien gelegenen Iguazu-Wasserfälle, eines der großen Unesco-geschützten Naturwunder unseres Planeten, keinesfalls verpassen wollten, absolut indiskutabel diesen Reisetraum unerfüllt zu lassen. Hatte uns die Taxifahrerin vom Flughafen des argentinischen Puerto Iguazu auf dem Weg ins Hostel noch von tagelangen Regenfällen berichtet, kann doch nun eigentlich nichts mehr schief gehen: Wir sitzen wieder im Taxi, alle sind gesund, die Akkus des Fotoapparats frisch geladen und die Sonne strahlt an diesem Morgen. Das werden sicher tolle Bilder, kein Vergleich zu den verregneten Schnappschüssen, die mir gestern einige Jungs im Hotel zeigten. Nur noch wenige Minuten, über dem Urwald ist schon eine feine Wassernebelwand auszumachen …

Als das Wort „cerrado“ fällt, ahne ich Unheil heraufziehen und kurz darauf bestätigt sich das nicht für möglich Gehaltene: die Wasserfälle können heute, zumindest von argentinischer Seite, nicht besichtigt werden, der Nationalpark bleibt zum ersten Mal seit 30 Jahren geschlossen! Der Rio Iguazu führe das Dreißigfache seiner normalen Wassermenge, statt 1.500 stürzen gerade 40.000 Kubikmeter pro Sekunde in die Tiefe. Historischer Rekord! Vielleicht ja morgen wieder. Nach 308 Tagen Anreise und von allen erdenklichen Tagen der letzten 30 Jahre (rechnerisch sind das ca. 10.953 Stück…), mit einer mathematischen Chance von weniger als 0,1 Promille haben wir also den schwarzen Peter gezogen, aus einem Topf voller Gewinne die einzige Niete.
Großes Kino, vielen Dank Schicksal!

Während die argentinische Nationalparkverwaltung ihren „Notfallplan“ in Kraft setzt, leiten wir um 8:52 Uhr unseren Plan B ein: Kurz ins Hotel und auf nach Brasilien zur dortigen Seite der Fälle. Es wird eine mühsame Fahrt der kleinen Schritte. Zum Busterminal, rein in Bus, 10 Minuten zur Grenze, Raus aus’m Bus, argentinischer Ausreisestempel, rein in Bus, 2 Minuten fahren, raus aus’m Bus, Einreisestempel für Brasilien abholen. Der Bus fährt weg, während alle mit den Einreiseformalitäten beschäftigt sind. Warten. Erster Bus, falsches Ticket. Warten. Zweiter Bus. Auch falsch. Knappes „Stündchen“ ist um.

Wir brechen zur unweit entfernten Hauptstraße auf, da dort der direkte Bus zum Parkeingang fahren sollte. Vier Minuten später überholt uns unser eigentlicher Bus, aber der würde sowieso in die Stadt fahren. Wir verschmerzen es, auch wenn „das Gras heute auf der anderen Seite irgendwie tatsächlich grüner zu sein scheint“. Der Bus zum Park kommt nach 10 Minuten und gegen 14 Uhr stehen wir endlich vor dem Parkeingang, gehen rein… und müssen warten… auf einen Bus! Aber diesmal geht es schnell und 10 Mintuen später stehen wir vor reißenden, wütend tobenden Wassermassen, die sich als braune Brühe wenige Meter von uns entfernt mit lautem Getöse in die Tiefe stürzen. Es scheint, als käme das Wasser von überall her, als würde der Urwald überlaufen. Gewaltige Kräfte lassen sich erahnen, zwei kleine Besucherplattformen sind mitten in den Fluten noch auszumachen und werden kräftig um- und überspült. Wir können kaum glauben, dass man dort normaler Weise stehen kann. Die aushängenden Bilder und zu kaufenden Postkarten zeigen eine Urwaldidylle mit toll in Szene gesetzten blauen Wasserläufen, die sich vergleichsweise artig und anmutig über teilweise mehrere Stufen in die Tiefe gleiten lassen. Wir schauen wieder zurück auf das fauchende Ungeheuer, das sich vor uns seinen Weg durch die Landschaft bahnt. Sogar die Angestellten des Parks machen Fotos und alle schauen sprachlos auf diese zügellos erscheinende Naturgewalt, während es bei blauem Himmel durch die aufsteigende Gischt „regnet“.

Auf dem Rückweg erwartet uns die gleiche Prozedur, es geht aber diesmal etwas schneller und wir sind kurz vor Einbruch der Dunkelheit zurück. Keiner zweifelt daran, dass sich unser Trip der kurzen Fahrten gelohnt hat.

Wir sind noch auf der argentinischen Seite und hoffen darauf, dass sich die Lage beruhigt. Heute blieb es unverändert, wurde eher noch schlechter und es wird laut Pressemeldungen an mehreren Stellen mit Überflutungen und Hochwasser gekämpft. Morgen ist unsere letzte Chance, denn am Donnerstagmorgen bringt uns der nächste Flug in die Amazonasmetropole Manaus. Also Daumen drücken, nicht nur für uns, auch für die von weiteren Fluten bedrohten Provinzen.

Wir sind aber schon mal froh, wenigstens die kleinere Seite gesehen zu haben.

Buenos Aires – Unterkühlt, überfüllt, überschätzt (?)

„Cambio, cambio“ rufen die Geldwechsler der Florida-Street uns zu, während wir uns durch die Menschenmassen wühlen. Da es nahezu unmöglich ist, auf offiziellem Weg für argentinische Pesos harte Fremdwährungen zu erstehen, blüht das Geldgeschäft in den Gassen und Hinterhöfen der Hauptstadt. Während der offizielle Kurs für 1 US$ bei ca. 8 arg. Pesos liegt, erhalten wir im Inneren eines Zeitungskiosks knapp über 11 Pesos. Klingt nicht gerade viel, summiert sich aber beim Tausch von 100 US$ auf einen „Gegen-Mehrwert“ von 35 US$ (285 Pesos), der leicht einen ordentlichen Restaurantbesuch finanziert.

Nun da wir Geld in der Tasche haben, ein erster Rundgang durch das Zentrum und später nach San Telmo, dem Lesen nach einem der ältesten und bei Touristen beliebten Stadtviertel. Wir sind nicht wirklich beeindruckt: Viele, von Allerweltsläden gesäumte, charakterlose Straßenschluchten durch die sich ungeduldige Passanten mit leicht unterkühlten Allerweltsmienen quälen. Vielleicht liegt es ja am beginnenden Winter der uns Temperaturen von ca. 15 Grad beschert. Auch die Architektur erscheint zweckmäßig und die Suche nach einem in der wärmenden Sonne liegenden Straßencafé brechen wir ergebnislos ab. Vorab endete bereits die Recherche nach spannenden Museen ebenso enttäuschend, da mit einer spontanen Entwicklung von Begeisterung für zeitgenössische und andere Künste bei Felipe wohl nicht innerhalb der nächsten zwei Tage gerechnet werden kann.

Der abschließende Spaziergang durch San Telmo lässt uns zumindest die lichttechnisch gelungen inszenierte Basilika, hübsche Antikläden und die zentrale Markthalle San Telmo entdecken, in der einige liebevoll arrangierte Stände und umliegende Bars zum ersten Mal an diesem Tag so etwas wie Flair versprühen. Wir kehren zurück in unser recht gemütliches Domizil, dem Che Argentina Hostel (50 US$ im Dreibettzimmer inkl. Frühstück).

Für eine Metropole, deren Bewohner manchmal etwas „überkandidelt“ wirken und dem Vernehmen nach so stolz auf ihre Stadt sind, scheint das bisher recht dürftig. Ein Allerweltsort, uninspiriert und gewöhnlich, nicht wirklich eine Reise wert.

Aber vielleicht überrascht uns Buenos Aires ja morgen noch.

Auch der zweite Tag war nicht gerade eine Offenbarung bisher unentdeckter Schönheit. Puerto Madura, die Frauenbrücke und ein altes Museumsschiff konnten das Feuer der Begeisterung ebenfalls nicht entfachen. Die Stadt wirkt wie eine Mischung aus Frankfurt a. M. und Berlin, beides nicht wirklich meine persönlichen Top-Favoriten für die Errichtung eines dauerhaften „Lebensmittelpunktes“. Und in beiden Städten dürfte man mit mir kaum einer Meinung sein. 😉 Leben und leben lassen. Alle Berichte hier sind ausdrücklich subjektiv und müssen nicht allen gerecht werden.

Nachhtrag: Argentinien ist für uns das Land der Thermoskannen. Viele Leute haben immer und überall eine dabei und die meisten Geschäfte bieten einen kostenlosen Auffüllservice. Das heiße Wasser wird dann in eine Tasse mit Mate-Tee-Blättern gegeben, so dass ein relativ dicker Sud entsteht. Getrunken wird mit einem Trinkröhrchen, an dessen unteren Ende eine Art Filter angebracht ist.

Von Nahrungsergänzungsmitteln bis zum Nullpunkt

Der Rückflug von Cusco nach Quito war mit viel Lächeln und einigen Kopfschmerzen verbunden: Neben mir saß ein junger Herr, der die Aufregung über seine erste große Reise in einem freundlichen, nicht enden wollenden Vortrag über ein Nahrungsergänzungsmittel kanalisierte, dessen Vertriebsleute sich zur ersten internationalen Konferenz in Quito am Folgetag zusammenfinden würden. Und er war einer von ihnen. Einer, der seinen Teil dazu beitragen werde, Fuxion zu „weltweitem“ Erfolg zu führen. Die knallrote Jacke mit entsprechendem Aufdruck unterstrich seine Überzeugung. Dass weder meine Spanischkenntnisse für eine solche Spezifik ausreichten, noch großes Interesse daran bestand, das Thema in allen seinen Facetten auszuleuchten, konnte dem Eifer meines Gegenübers keinen Abbruch zufügen. Während Anke eine Reihe weiter fröhlich vor sich hinkicherte, versuchte ich mehr oder weniger erfolgreich lenkend in die Unterhaltung einzugreifen, zeigte ihm aber letztlich ein wenig verweifelt doch, wo genau die von der Crew verteilten Kopfhörer eingestöpselt und wie Musikprogramme gewählt werden. Losgefahren war er offenbar auf typisch peruanische Art: Ohne jeden Plan. Die Landung sollte 0:15 Uhr sein, er hatte kein Hotel reserviert, baute darauf, dass ein Bus ihn in die Stadt bringen würde und war etwas enttäuscht zu erfahren, dass Quito nicht am Meer liegt und somit über keinen Strand verfügt. Ein wenig Bewunderung für so viel planfreie Initiative kann ich nicht verhehlen und ich hoffe sehr, dass dem sympathischen Kerl das Glück hold ist.

Zurück in Quito sollte diesmal der quirlige Stadteil Mariscal unser Ziel sein. Check-in im Hostal del Piamonte für 38 US$, gleich neben dem besonders bei Gringos beliebten Vergnügungsepizentrum Plaza Foch.
Und tatsächlich präsentierte sich die Stadt von einer ganz anderen Seite: Tür and Tür reihen sich Bars aller Coleur, schicke Cafés, Restaurants, Diskotheken, Karaokeschuppen und Nachtclubs aneinander und bieten dem meist jungen gutgekleideten Publikum reichlich Möglichkeiten zum Flanieren, Präsentieren und ausgelassene Nächte zum Tag werden zu lassen.

Schon ab dem frühen Nachmittag füllen sich die Kneipen und es herrscht eine gelöste, friedliche Stimmung, die der in europäischen Szenevierteln größerer Städte in Nichts nachsteht.

Quito liegt in der Nähe des Äquators und einige Kilometer außerhalb schien die Mitte der Welt („Mitad del Mundo„) ein lohnenswertes Ziel. Zwar hat man sich bei der Errichtung um einige hundert Meter vertan und bei den meisten zu sehenden Experimenten soll es nicht ganz mit rechten Dingen zugehen, aber das sollte uns nicht abhalten, zumal ein Planetarium und andere Ausstellungen ebenfalls zu bestaunen seien. In einem Kinofilm ist schließlich auch nicht das richtige Leben zu erwarten. Nach einer knapp zweistündigen abenteuerlichen Anreise via öffentlichem Bus inklusive zwei Mal umsteigen waren wir angekommen und es war furchtbar trist: das Museum ließ gerade niemanden rein, weil der Computer streikte, das Planetarium startet die Show nur bei mindestens 10 Besuchern (von denen acht fehlten, da wir allein waren) und das Insektarium hatte ohne Nennung weiterer Gründe ganz geschlossen. Sogar der Spielplatz war in einem erbärmlichen Zustand – ganze Klettergerüste waren umgekippt – so dass wir nach einigen Standardfotos am (falsch stehenden) Monument schnell und etwas enttäuscht den Rückzug antraten. Die investierten 7,50 US$ waren zwar wirklich nicht die Welt, wären aber in einigen dicken Eiskugeln besser angelegt gewesen.

Trotz dieses Faux Pas landet Quito, wie Cusco auch, weit oben in der Liste der interessanten und besuchenswerten Städte. Geschichte, Kultur, Architektur, Freundlichkeit und nicht zuletzt Vielfalt bilden eine reizvolle Mischung für Touristen, Auswanderer und Einheimische. Nur der Strand fehlt. 😉

Heute sind wir erfolgreich und planmäßig in Buenos Aires aufgeschlagen. Nur zwei Tage bleiben uns. Wir werden bald berichten.