Die Reise nach Sihanoukville in einem großen, dafür etwas langsameren Reisebus war deutlich angenehmer, als unser Minibus-Höllenritt von Siem Reap nach Phnom Penh. Natürlich hatte auch diese Fahrt wenig mit den Ge-TüV-ten Reisebussen und ebenen Autobahnen wie wir sie in Europa kennen zu tun, aber ab und an ließ sich gefahrlos eine Flasche zum Mund führen.
Während des zweiten Teils wurde nur unser eher gitarrenlastiger Musikgeschmack durch laute Karaoke-DVDs mit viiiielen gaaaanz langsamen Liebesliedern auf eine Probe gestellt, zum Mitsingen mit eingefärbtem Text auf dem mittig hängenden Flachbildschirm. Die Beteiligung war jedoch zurückhaltend, ich hörte aber auch schon von 5-stündigen Sangestouren. Vielleicht ja beim nächsten Mal, wer könnte sich auch ein authentischeres Reiseerlebnis vorstellen.
Sihanoukville hat uns hingegen nicht überzeugt. Vielleicht lag es daran, dass Felipe den ersten Tag fiebrig im Bett zubrachte, vielleicht auch am Müll, der uns in den darauffolgenden Tagen am eigentlich idyllischen Strand zu häufig begegnete, vielleicht waren es auch zu viele Sextouristen, die mit ihren viel zu jungen kambodschanischen Bezahlfreundinnen herumstolzierten und vielleicht war es auch die farbenfrohe, aber wenig einladende Qualleninvasion, die den Strand am zweiten Tag heimsuchte – vermutlich war es aber die Summe dieser Dinge, die kein uneineingeschränktes Wohlbehagen aufkommen ließ. Zwar lassen sich kitschige Postkartenmotive schießen, die Wahrheit sagen sie aber nicht. Wir trösteten uns zur Abwechslung in einem deutschen Restaurant, wo wir zwischen Rouladen, Gulasch, Lebrwurstbrot und Eisbein um eine Entscheidung rangen, während ein Weißbier erste Hilfe beim Denken leistete.
Zu längerem Bleiben überzeugte auch das nicht und so zeigt unser inneres Navi nun Richtung Laos, wobei wir Bangkok wiedersehen werden.
Um nicht 24-Stunden auf Achse zu sein, legten wir einen letzten kambodschanischen Zwischenstopp in Koh Kong, im Oasis Bungalow Ressort ein. Erwartetes aber fehlendes WIFI machte Besitzer Jason Webb durch durch einen langen Abend mit unzähligen Geschichten und Eindrücken mehr als wett. Wohl zum ersten Mal war ich froh, dass zickende Technik uns so viel und immer noch zu wenig Zeit für diesen langen Abend gab. Er ist weit gereister irischer Katholik, 43 Jahre alt, spricht das hiesige Khmer (!!!!) und baute vor 9 Jahren sein Resort in die Sümpfe Kambodschas, aus Abenteuerlust, Enthusiasmus für das Land und um Geld zu verdienen. Sextouristen kommen bei ihm nicht unter und Missionare mag er ob ihrer oberlehrerhaften Selbstgefälligkeit, die sich in begrenztem zeitlichen Engagement äußert, ohne dabei die Anstrengung zur Erkundung der gesellschaftlichen Bedingungen zu unternehmen, auch nicht. Über Amerika und Britannien („Es sei wirklich an der Zeit das ‚Groß‘ zu streichen“) schüttelt er seit Jahren ebenso den Kopf, wie ich und vermutlich viele andere.
Fantastische, in breitem irischen Akzent vorgetragene Geschichten: Zum Beispiel von einem nächtlichen Grenzübertritt zwischen Uganda und der damals (wie heute) im Bürgerkrieg befindlichen Demokratischen Republik Kongo „um in der Stadt ein Bier zu trinken“, was auf dem Rückweg in einer schwer bedrohlichen Auseinandersetzung mit einem Offizier mündete, einschließlich erwogenen Lösegeldforderungen und mit Blick auf mehrere Maschinengewehrläufe. Es endete glimpflich, war aber eine der wenigen Situationen, in denen er mehr als nur Angst verspürt habe …. und in die er sich ohne Not selbst brachte.
Er ist gerade dabei, dass Ressort zu verkaufen um sich anschließend in Sri Lanka nach etwas Land und einem Haus umzusehen, um sich zur Ruhe zu setzen. Kambodscha müsse er verlassen, da er viele gesellschaftliche Werte nicht mehr hinnehmen könne, z. B. die Verbindung von alles und jedem mit Geld, noch immer zum Großteil stattfindende arrangierte Hochzeiten, einige Riten und Aberglauben, Rolle und Status der Frauen inklusive des Umgangs mit Vergewaltigungen und Pädophilie, letztlich im Prinzip die generelle Ignoranz einer möglichen und schnellen Weiterentwicklung. Auf das ewige Lächeln könne man nichts geben, dahinter verberge sich oft eine fast grausam agierende und in ihren Zügen relativ primitive Gesellschaft. Bereut hat er freilich nichts, auch wenn in seinen Worten etwas Wehmut, auch und vielleicht gerade wegen einiger persönlicher Enttäuschungen zu erkennen war. Denn noch geht er sicher nicht im Groll, sondern weil es an der Zeit sei und die gewonnenen Erkenntnisse es erfordern.
Ich hoffe, er schreibt ein Buch.