Zwischen Wüsten- und Wintercamping – 3.100 km durch Kalifornien

Die Fahrt vom Death Valley in den Sequoia-Nationalpark ist kompliziert: Zuerst muss eine Gebirgskette umfahren werden, die aus der kartographischen Nähe eine epische Anfahrt von sechs Stunden werden lässt um anschließend in den schneebedeckten Höhenlagen mangels geeigneter Fahrzeugausrüstung, insbesondere Schneeketten, aufgeben zu müssen. Der Kontrast zur Hitze von „gestern“ überraschte uns letztlich doch in seiner Wucht. Obwohl wir wussten, dass damit Ende März zu rechnen sei, ließen uns die erlebten Temperaturen und einige Einschätzungen von Rangern auf mildes Wetter hoffen. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchten wir noch unser Glück im Kings Canyon, aber auch dort wurden wir bei Schneefall zur Umkehr gezwungen, was zwar weniger überraschend, doch aber etwas enttäuschend war.

So blieb uns nur der Rückzug, denn wir hatten keine Zeit, auf besseres Wetter zu hoffen und schon gar nicht wollten wir eingeschneit in den Bergen festsitzen. Also runter und Schlagdistanz zu unserem nächsten Ziel hergestellt, bevor wir müde unseren schicken Camper für die Nacht am Lake Millerton herrichteten.

Der Yosemite Nationalpark empfing uns deutlich freundlicher: frühlingshafte Sonne setzte das ohnehin charmante Städtchen Oakhurst ins richtige Licht und unser phänomenales Frühstück bei „Pete’s“, einem traditionellen Diner, stimmte uns versöhnlich und hoffnungsvoll, auch wenn uns wieder schneebedeckte Gipfel aus der Ferne grüßten. Wir sollten nicht enttäuscht werden: Yosemite inszenierte seine wuchtig umwerfende Schönheit, wie sie nur dort zu finden ist, wo das Zeitalter der Industrialisierung mangels Unkenntnis oder Desinteresse vorbeigeschrammt oder weitsichtige Zeitgenossen wie John Muir rechtzeitig den besonderen Schutz von Teilen der unendlichen Weite des nordamerikanischen Kontinents erstreiten konnten.

Unsere erste Station waren die Mammuntbäume, die sich in einer etwas höheren Region des Parks befinden (die ganz hohen Lagen sind im Winter gar nicht zu erreichen). Auch hier trafen wir auf Schnee, über den sich besonders Felipe so ausgiebig freute, dass er kaum zu bändigen war.

Wir waren im Bärenland und obwohl uns bis zum Schluss eine Begegnung verwehrt blieb, warnten Schilder doch eindringlich vor ihrer Anwesenheit. Den Empfehlungen folgend wurden alle Lebensmittel und Waschtaschen in dem dafür vorgesehenen, einbruchsicheren Container deponiert, bevor wir den Abend bei Nudeln mit Tomatensauce und Lagerfeuer ausklingen ließen. Dank unseres Nachbarn Jadie lernte ich außerdem, dass über dem Feuer „gesoftete“ Marshmellows eingeklemmt zwischen zwei Keksscheiben und einer hauzarten Schokoplatte besonders fies und unwiderstehlich sind, wenn man es skrupellos quietschesüß mag. Es sei die kalifornische Art, die unschuldig aussehenden weißen Sündenstückchen noch schneller in Hüftgold zu verwandeln.

Nachts wurde es eisig und unsere dicken Decken konnten die fehlende Standheizung nur leidlich ersetzen. So waren wir dankbar für die ersten wärmenden Sonnenstrahlen und genossen einen heißen Instantkaffee. Das traumhafte Wetter nutzten wir für einen vierstündigen Spaziergang durchs Tonya Valley, vorbei am Mirror Lake. Zwar trafen wir auch hier keinen Bär, dafür modelte stellvertretend ein Luchs ohne jede Furcht nur wenige Meter entfernt und scheinbar ungerührt für die Objektive der Umstehenden. Ein bisschen wie Zoo, nur ohne Gitter und deshalb wahnsinnig aufregend. Ein Moment, in dem zumindest ich mich (überraschender Weise sogar in Übereinstimmung mit Felipe) eindeutig glücklicher fühlte, als in den Warteschlangen Disneylands. Zugegebenermaßen ist der Vergleich etwas schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, aber sei es drum. Gegen 17 Uhr waren wir zurück, nutzten nach den Katzenwäschen der vergangenen Tage noch schnell die kostenlosen Duschen und schon galt es auf dem Highway wieder Meilen zu schrubben, denn für den Folgetag standen Outlet-Shopping und die Küste des legendären Highway 1 unserem Programm.

Am Walmart in Gilroy fanden wir in bewährter Weise eine Bleibe für die Nacht. Leider kehrte am Shoppingtag das schlechte Wetter zurück, so dass der Pazifik nebelverhangen und deprimierend trist erschien, sofer er überhaupt zu erkennen war. Auch die letzten 150 km bis San Francisco brachte uns unser treuer Camper, bevor wir wehmütig und widerwillig Abschied nehmen mussten. Da die Sonne zurück und die Aussicht für die nächsten Tage eher trübe war, warfen wir uns gleich ins Getümmel und flanierten in Fisherman’s Wharf vorbei am im Meer liegenden Alcatraz und der stadtansässigen Seelöwenkolonie bis der Blick auf die berühmte Golden Gate Bridge freigegeben wurde. Heute regnet es hingegen wieder und es ist kalt, so dass wir ohne schlechtes Gewissen das Frühstück im Dottey’s in der sechsten Straße zu einem dreistündigen Brunch ausufern lassen konnten.

Hinter uns liegen dreizehn Tage und 3.100 abwechslungsreiche Kilometer quer durch gerade mal einen der 50 Bundesstaaten der U.S.A., der flächenmäßig größer als die Bundesrepublik ist. Dies ist nur ein Beispiel, für dieses Land, in dem alles eine Nummer größer zu sein scheint: die Landschaften sind gewaltiger, die Straßen sind breiter, die Autos sind bulliger, die Spanne zwischen arm und reich ist extremer und die Verrückten sind zahlenmäßig bedenklich viele und im Schnitt verrückter. Und es ist das erste Land, in dem man Kniestrümpfe noch (oder wieder?) wie in den 70ern trägt, zu kurzen Hosen, glatt und straff, so weit es geht nach oben gezogen. 😉

So wie die meisten Städte, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit dem Charme, der Historie und dem Café-Flair ihrer europäischen Pendants nicht mithalten können und so kritikwürdig dieses Land derzeit mit seinen oft blauäugigen und von überzogenem Patriotismus geprägten Einwohnern auf der politischen Bühne agiert, so unvergleichlich wild, vielseitig und sehenswert ist die hiesige Natur. Noch mindestens vier große Dinge verbleiben auf meinem Wunschzettel für spätere Abenteuer: die Rocky Mountains, der Yellowstone Nationalpark, Alaska und der Grand Canyon. Wir sehen uns also.

Morgen startet unser Flieger nach Costa Rica und am 13.05. wenden wir uns von Panama aus endgültig in Richtung Südamerika.

Camper, Country, California

Auch wenn Geld nicht glücklich macht, landet man schnell im Unglück wenn man es aus den Augen verliert. Nach unserem rauschenden Fest bei der Maus vermeiden wir bestmöglich Extrakosten und verbrachten die letzten Nächte auf verschiedenen Walmart-Parkplätzen, Dies scheint so etwas wie ein Geheimtipp zu sein, denn nie waren wir die Einzigen und die langen Öffnungszeiten bescheren gesicherten Zugang zu Frischwasser und anderen wichtigen Einrichtungen.

Felipe findet das ganz easy und fragte daher auch trocken, freundlich angesprochen von einem Deutschen: „Und, schläfste auch auf’m Parkplatz?“ Während über Ankes Gesicht klar und in riesigen Lettern „Boden öffne Dich!“ zu lesen war, amüsiere ich mich noch stundenlang darüber.

Unser Weg führt nach Osten, zum Joshua Tree Nationalpark. Dort stehen sehr viele dieser eigenartig aussehenden, mit spitzen Dornen versehenen und blätterlosen Bäume in einer sonst wüstenähnlichen Landschaft mit einzigartigen Gesteinsformationen. Einige davon sehen aus, als hätten Riesen sie aufgehäuft und dabei tonnenschwere Steine übereinander gestapelt.

Auf unserem Weg ins Death Valley machen wir auf halbem Weg in Barstow halt um einige Kilometer der Route 66 folgen zu können. Nüchtern betrachtet wirkt die Straße, deren Ende wir schon am Strand von Santa Monica ablichteten, wie eine unter tausenden, es fühlt sich aber doch irgendwie besonders an, über die wohl berühmteste aller Straßen zu rollen, obwohl sie ja heute nicht einmal mehr durchgängig existiert. Passend zur oft verfilmten Location fahren wir abends in eines der auch hier selten gewordenen, klassischen Autokinos und schauen alle 3 den Zeichentrickfilm „Mr. Peabody“. Zum Glück hat er Felipe gefallen, denn ich selbst fand ihn sehr mühsam

Bevor wir uns endgültig ins Death Valley aufmachen, wollen wir noch ein kurz in die Zeit des Wilden Westens, der Pioniere und der Abenteurer eintauchen, die einst dieses Land eroberten. Die nahegelegene Geisterstadt Calico lässt diese Epoche lebendig werden: mit Saloon, Sheriff, Badehaus, Silbermine, Handelsstation, Schule und vielen anderen Gebäuden, jeweils liebevoll ausstaffiert mit Reliquien und Fotografien von gesetzestreuen und gesetzlosen Glücksrittern, die hier einst mit Pferd oder Postkutsche ankamen, um ihr Glück zu versuchen.

Angekommen am heißesten Ort der Erde. Ein Großteil Kaliforniens besteht aus Wüste, aber hier wurde es nun besonders trostlos. Meilenweit karge Landschaft, bei denen selbst niedrigere Büsche der Natur ihre Existenz nur mit Mühe abtrotzen können. Es fällt daher in diesem Fall schwer, diese Einöde schön zu nennen, faszinierend passt aber allemal. Spät und schon lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir unser Ziel, werden aber belohnt mit einem idyllischen Stellplatz und einem Sternenhimmel, der seinesgleichen sucht.

Am nächsten Tag unternehmen wir einige kurze Wanderungen, die Hitze begrenzt die dazu notwendige Energie. Umso seltsamer wirken die noch immer zart schneebedeckten Gipfel der umliegenden Berge.

Doch die Zeit drängt und der Sequoia-Nationalpark ruft. Wer gern zu ein wenig California-Feeling mitwippen möchte, dem sei Big & Rich ans Herz gelegt:

Am glücklichsten Ort der Erde

Unser Campingbus von Escape Campervans hat nicht nur ein tolles Bett, sondern sieht auch noch hammermäßig aus. Als Glücksritter gestartet, konnten wir uns den nach eigenen Angaben offiziell glücklichsten Ort der Erde nicht entgehen lassen zumal wir es gar nicht weit hatten: D i s n e y l a n d Anaheim.

Jugendträume gehen in Erfüllung und man muss gestehen, dass man sich dem Zauber nur schwer entziehen kann. Ob groß oder klein, sogar von oben bis unten tätowierte Männer tragen mit einem Dauerlächeln Micky Maus- oder Goofy-Ohren und warten geduldig auf ein gemeinsames Foto mit den Helden Ihrer Kindheit. Das berühmte Märchenschloss sieht aus wie im Film und auch die anderen Kulissen lassen staunen, zeugen von Phantasie und Detailverliebtheit. Die Shows erzählen meist in Musicalform und mit tollen Spezialeffekten von der Macht der Imagination, von Geschichten, in denen feuerspuckende Drachen, böse Stiefmütter und furchterregende Hexen von tapferen Gegenspielern in ihre Schranken gewiesen werden.

Wichtige Bausteine zum großen Glück sind allerdings auch viel Geduld und pure Freude an der Nähe zu möglichst vielen fremden Menschen, mit denen man viiiel Zeit in sich windenden, nicht enden wollenden Warteschlangen verbringen möchte. Wer darüber nicht schon wahnsinnig glücklich ist (wie ich), wird spätestens abends mit einer fulminanten Show und einem tollen Feuerwerk über dem Schloss versöhnt. 

Ein einmaliger Tag und wir danken allen guten Weihnachts- und Geburtstagsgeistern, die uns diesen Sprung weit über unsere üblichen Budgetgrenzen hinweg erleichtert haben.

PS: Es muss irgendeine Verbindung zwischen Disneyland und meinem Heimatort im Erzgebirge geben, denn wer sollte sonst auf die Idee kommen, ein Hotel in den Kulissen „Pan Handle“ (also „Pfannenstiel“) zu nennen? 🙂

PPS: Hier sind „Fremdvideos“ von Abschlussfeuerwerk und -show zu sehen, jeweils ca. 20 Minuten.

Fantasmic! Die spektakuläre Show:

Das große Abschlussfeuerwerk

Venaka Fiji. Howdy America!

Bei Fidschi bedanken wir uns gern für 2,5 stressfreie Wochen und viel erfahrener Freundlichkeit. Die Kava-Sessions – DAS Nationalgetränk von Fidschi, hergestellt aus gestampften Wurzeln – waren spannend und unterhaltsam, auch wenn die trübe Brühe geschmacklich nicht überzeugen kann.

Gute zehn Stunden sind wir nun die USA geflogen und durch die Querung der Datumsgrenze ca. zehn Stunden früher am gleichen Tag angekommen. Den 18. März 2014 haben wir damit zwei Mal durchlebt, was ziemlich abgefahren ist und uns zu albernen Wortspielen hinreißen ließ, wie „nachher haben wir Eis gegessen“ oder „vorhin werden wir ankommen“. Auch „das Brot von gestern schon heute zu kaufen“ rückt damit in „greifbare Nähe“. (immer gern gesehen, Horst Evers hier: http://www.youtube.com/watch?v=JwmqKa1KWlc)

Kurzum: ab sofort leben wir 8 Stunden in der deutschen Vergangenheit. Angekommen sind wir wohlbehalten in Los Angeles. Heute kurzer Ausflug zum Hollywood Walk of fame, der es erwartungsgemäß nicht in die Nominierungen der Muss-man-gesehen-haben Liste schafft. Das California ScienCenter hat da zumindest bei uns Jungs bessere Karten, ist dort doch, neben vielen anderen spannenden Dingen, die Raumfähre Endeavour und verschiedene Raumkapseln und Satelliten, sowie das Spacelab zu sehen.

Besonders spannend auch deshalb, weil wir auf Fidschi gerade noch lange mit einem pensionierten technischen Zeichner der europäischen Raumfahrtbehörde aus Bremen sprechen konnten, der Einiges aus dem Nähkästchen der Anfänge in Europa plauderte: „Egal ob Professor oder Zeichner: wir wussten nichts und starteten bei Null. Was für ein Glück, dort dabeigewesen zu sein.“ Und die Liebe seines Lebens hat er auch noch dort gefunden. Es war eine der Begegnungen und Geschichten, für die sich jede Reise lohnt.

Morgen holen wir den Camper ab und werden unseren hoffentlich tollen Roadtrip durch Kalifornien und evtl. Nevada beginnen.