Lost in translation – Gastfreundschaft auf Brasilianisch

Felix, der Junge von nebenan, winkt uns freundlich vom Dach zu, als wir von unserem die geringen Erwartungen unterbietenden Ausflug ins Zentrum zurückkehren: Kein Zweifel, schon nach 3 Tagen gehören wir ein bisschen zum Inventar der Nachbarschaft. Die Menschen vom sonst verschlafenen Stadtteil Redençao scheinen stolz, dass sogar hier auf „Ihrem Berg“, fast 45 Busminuten außerhalb des Zentrums, internationale Gäste mit Kindern zu Besuch gekommen sind.

Nachbarskinder kommen vorbei und spielen mit Felipe im kleinen Hof, im Shop nebenan bekommt er einen Luftballon geschenkt und jeder ist trotz sprachlicher Kommunikationsbarriere sehr um uns bemüht. Der Kioskbesitzer zeigt bei der Ermittlung der Gesamtsumme auf jeden Artikel, tippt dann den Preis in den Taschenrechner, wartet auf meine Zustimmung und fährt dann fort. Nicht den kleinsten Zweifel an der Korrektheit des Gesamtpreises möchte er zulassen. Bis spät in die Nacht erledige ich furchtlos kleine Einkäufe bei ihm, fünf Gehminuten durch geschmückte Straßen von unserem Quartier entfernt und fühle mich, obwohl weit und breit keine Polizei zu sehen ist, so sicher wie an bisher wenigen Orten unserer Reise.

Unsere Homestay-Vermieter Mara und Maosi sind tolle Gastgeber und wir fühlen uns jederzeit willkommen, obwohl wir ihre freundlich klingenden Worte oft nur mit einem Schulterzucken und einem hilflos gelächelten „No entiendo“ (ich verstehe nicht) quittieren können.

Aber ich mache es mir zur Gewohnheit, beiden ein kühles Bier von „meinem“ Kiosk mitzubringen, das wir mit einem „Cin-Cin“ (Prost!) bei Fußball und neuen „No-Entiendo“-gespickten Dialogen leeren. Es ergibt sich, dass wir am letzten Abend gemeinsam jeweils unterschiedliche Dinge kochen und anschließend alles teilen. Wir lachen, als Mara uns lehrt, dass Messer auf portugiesisch wie „Fuck“ klingt („faca“), erfahren, dass Paranüsse „Kastania“ genannt werden und am Baum in seltsamen hölzernen Schalen, die jeweils ca. 20 Einzel-Nüsse enthalten, wachsen. Das Essen wird gelobt, wobei wir es ernst meinen und Mara unseren Spirelli und der Mischung aus Ketchup, Dosenmais und Tomaten wohl eher aus Hoflichkeit das Prädikat „Mutsche Bong“ (sehr gut) verleiht.

Es wird ein herzlicher Abend und eine noch herzlichere Verabschiedung. Als wir ins Taxi steigen, sehen beide ein wenig traurig aus und wir müssen versprechen, eines Tages wiederzukommen.

PS: Skurril schien eine Fernsehsendung namens „Programa Silvio Santos„, die am Sonntagabend im TV lief. Der komplette Sinn und Verlauf der Sendung blieben rätselhaft und stellte alles in den Schatten, was wir bisher auf deutschen Sendern als sinnfrei abkanzelten, daher beschränkt sich die Schilderung auf die pure Aufzählung: Silvio Santos trägt Anzug und Goldring und hat ein Gesicht, dass an Wachs erinnert, so wie Barbies Ken mit 75 Jahren aussehen mag. Er befragt hin und wieder 3 Starkandidaten, führt Interviews mit meist weiblichen Studiobesuchern und wirft von Zeit zu Zeit großkotzig und gönnerhaft Geld ins Publikum, um das dieses sich dann regelrecht balgt. Ab und an kommt noch ein Clip mit „versteckter“ Kamera. Diese Mischung definiert Nonsense und Peinlichkeit von Fernsehsendungen vollkommen neu. Hier die Website zur Sendung, Suchergebnisse bei youtube liefern Beispiele…

http://www.sbt.com.br/programasilviosantos/

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