Schottland: Mehr als ein Plan B

Dieses Jahr Plan B: Schottland

Wir „Männer“ wollten da ja nie so wirklich hin. Wegen des Wetters. Wegen fehlender Strände. Und überhaupt. Da aber das WTKO-Sommercamp dort gastierte und weitere Umstände eine defensivere Planung notwendig machten, konnte Ankes Wunsch in Erfüllung gehen: Ein Mal Schottland sehen.

Und das war unser Plan: Flug von Leipzig nach London, einen Nachmittag die britische Hauptstadt wirken lassen und dann 5 Stunden am Fenster eines Zuges entspannt Schottland näher kommen. Im Summercamp an unserem Karate feilen, Edinburgh ansehen und als Highlight 4 Tage im Camper den Highlands so nah wie möglich sein. Von der letzten Station in Stirling zurück nach Hamburg und im ICE nach Hause.

London

Die Anreise klappte problemlos. Am Flughafen dann ein Ticket für den Bus (National Express) gebucht, da dieser direkt zu unserem Zielbahnhof Paddington fuhr. Kein Umsteigestress, auch wenn das Handy eine 15 Minuten kürzere Route via Stansted Express für die schnellere hielt.

Das Dreibettzimmer im Aaraya Hotel London war zweckmäßig und mit 175 Euro (ohne Frühstück) für mein Empfinden teuer, aber diese Kombination sollte sich in den folgenden Tagen fortsetzen. Das Preisniveau in „Good Old Britain“ ist einfach höher, als in der Heimat.

Nach einer viel zu süßen Stärkung lockt uns das schöne Wetter in den nahegelegenen Hyde Park. London ist einfach traumhaft, wenn, wie an diesem Abend, die Sonne scheint. Kurzentschlossen nehmen wir einen Bus zu Queen Mary’s Rose Gardens im Regents Park. Zwar sind viele Rosen schon verblüht, die verbliebene Pracht reicht aber aus, um schwer zu beeindrucken. Wir treffen einen Maler, der gerade seine Mappe mit einem „It’s enough“ zuklappt. Als wir von unseren Reiseplänen nach Edinburgh berichten, lacht er und witzelt ein „Good luck!“ in den Abendhimmel um gleich deutlicher werden: „There are two weathers in Edinborough: Either you can’t see the castle, then it’s raining. Or you can see the castle, then it’s going to rain“. Wir freuen uns über die Priese britischen Humors, die uns hier geschenkt wurde.

Der Abend klingt mit dem für mich größten Highlight Londons aus: Indisch essen. Wir hatten uns schon The Mughal’s Indian Restaurant entschieden und für 20:30 Uhr reserviert. Was für ein Fest!

Am nächsten Tag bringt uns ein Uber zum Bahnhof Euston, wo wir 13:30 Uhr in den Zug steigen. Die Tickets hatte ich im Voraus bei Scots Rail gebucht. Leider entpuppt sich der versprochene Window Seat als absoluter Reinfall, liegt er doch genau zwischen zwei Fenstern, so dass wir von der Landschaft nicht viel sehen werden. Der Zug ist bis ca. 1 Stunde vor unserem Umstiegsbahnhof Carlisle so gut gefüllt, dass wir auch nicht spontan tauschen können.

South Queensferry

Im Anschlusszug haben wir dann mehr Glück und erreichen pünktlich unser Ziel South Queensferry, das westlich von Edinburgh liegt und dessen Wahrzeichen die mächtige Eisenbahnbrücke über den Forth River ist, die die Gegend an die nördlich gelegenen Landesteile anbindet. Check in im Premier Inn (Dreibettzimmer, 195 Euro / Nacht) ca. 15 Min Fußweg von der South Queensferry High School entfernt, wo wir in den kommenden 4 Tagen in internationaler Atmosphäre unser Karate Seminar absolvieren.

Das Camp Dinner im Orocco Pier erweist sich für 69 Pfund pro Person (Ohne Getränke, !sic) als absoluter Reinfall. Als nach über einer Stunde ein einzelnes kleines Aufbackbrötchen vor mich gelegt wird und die Suppe locker nochmals 30 Minuten dauert, machen wir schon lange unsere launigen Witze über die Möchtegern-5-Sterne-Location. Bestnoten geben wir nur der Lage am Wasser mit Blick auf erwähnte Brücke und den vielen Gästen, mit denen wir in den folgenden Stunden anstoßen.

Edinburgh

Edinburgh macht mit seinem die Szenerie bestimmenden Castle und der Royal Mile, einer belebten Straße im Zentrum, einen erhabenen Eindruck. Das typische Grau der Steinfassaden vermittelt den Eindruck, als seien die Gebäude für die Ewigkeit gebaut.

Wir sind am letzten Trainingstag mit in die Stadt umgezogen und nächtigen im zentral gelegenen A&O Hostel (200 Euro pro Nacht im 3BZ). Das Zimmer ist so trostlos und winzig, dass wir nicht gleichzeitig im Zimmer stehen und dabei die Badtür öffnen könnten. Nach dem Check In platzen gleich zwei Mal Angestellte ohne anzuklopfen in unser Zimmer um es „zu überprüfen“. Wir werden uns noch einige Male fragen, ob es dort eigentlich nur Wichtigtuer mit Walkie Talkie gibt, denn auch das einfache Frühstück am nächsten Tag wird uns enttäuschen. Abwechselnd fehlt Besteck, Marmelade und Brötchen, was gekonnt vom Personal bei einem eigenen Kaffee ignoriert wird.

Wir lassen uns weder vom mäßigen Service, noch vom mäßigen Wetter einschüchtern und unternehmen die Tour im Mary King’s Close, die uns in vergangene Welten des 17. und 18. Jahrhundert entführt, und die Castle Tour, bei der wir vom österreichischen Tourguide Urs lernen, dass es sich um eines der am häufigsten attackierten Gebäude in Europa handelt. Über dem Eingang steht der denkwürdige Satz: „Keiner reizt mich ungestraft.“

Beide Touren sind lohnenswert.

Highlands

Nach 3 Tagen nehmen wir Abschied und fahren mit dem Zug nach Stirling. Dort warten wir auf Trevor, dem Inhaber von Campsie Campers, der uns eines seiner Schmuckstücke für 179 Pfund pro Tag überlässt. Er hat den Ausbau selbst vorgenommen und wir sind beeindruckt von der verbauten Finesse. Felipe ist in den kommenden Tagen zuständig für Auf- und Abbau zwischen Fahr- und Campingmodus.

Am ersten Nachmittag fahren wir noch bis kurz vor Dunnottar Castle bei Stonehaven und übernachten freistehend mit Blick auf die Nordsee. So war das gedacht! Das Linksfahren und Rechtssitzen braucht ein wenig Gewöhnungszeit für alle Beteiligten, aber schon am nächsten Tag tritt das meist überflüssig kommentierte Thema „Fahren“ in den Hintergrund und wir genießen die Landschaft und das kurze Campergefühl von Freiheit.

WIr schauen uns das Dunnottar Castle an und essen Fish & Chips im mehrfach preisgekrönten „The Bay Fish & Chips“ im Hafen von Stonehaven. Am Nachmittag fahren wi weiter und halten kurz vor Inverness im Auchnahillin Holiday Park, wo wir für 20 Pfund einen Stellplatz erhalten und die sauberen Duschen genießen.

Eigentlich steht am nächsten Tag Loch Ness und das berühmte Urquhart Castle auf unserem Plan. Wir machen aber nur kurz Halt am Wasser, denn der Besucheransturm beim Schloss ist noch vor dem Parkplatz enorm, so dass wir direkt Richtung Westen aufbrechen und nun auch erstmals durch Highlands fahren, wie wir sie uns vorgestellt haben. Gegen 16 Uhr erreichen wir Eilean Donan Castle, einem echten Wahrzeichen Schottlands. Vom freundlichen Angestellten erfahren wir, dass hier alles noch im Privatbesitz der alten Lady McRae sei. Ihre Familiengeschichte war in vorigen Jahrhunderten geprägt von einer Fehde, die sie mit ihren Verbündeten McKenzies gegen den McDonalds Plan führte. Ich möchte wissen, wie denn die Lage heute sei und erfahre, dass man sich noch immer misstrauisch gegenüberstehe. Zu viel sei in der Vergangenheit geschehen. Ansonsten sei 95-jährige Lady McRae aber wohlauf und fahre mit dem Auto durch die Gegend. Ob sie dies im Stil einer Lady tue, wird mit einem knappen „well, she is my boss“ quittiert und so mache ich mir selbst einen Reim auf diese Antwort.

Der Abend ist schön und wir entscheiden uns, noch einige Kilometer Highlands Richtung Süden hinter uns zu lassen. Wir übernachten auf dem Besucherparkplatz des Glen Roy, den uns die park4night-App empfiehlt. Nach einigen Stoßgebeten ob der engen Zufahrtsstraße erreichen wir den Gipfel und sind mittendrin in der majestätischen schottischen Pracht.

Es sind nur anderthalb Stunden, die uns am morgen vom Tagesziel Loch Lomond trennen Eigentlich steht wandern auf dem Programm aber das Glück mit dem Wetter hat uns an diesem Tag verlassen. Wir drücken uns eine Weile einem der Parkplätze mit Cafe rum und versuchen die Regularien für Camping innerhalb des ausgedehnten Nationalparks zu verstehen. Die zu verkraftenden Besucherzahlen werden seit 2023 durch eine zu (online) erwerbende Camping Permit für 4 Pfund reguliert. Leider können wir keine solche spontan buchen, denn offenbar ist alles belegt. Also steigen wir in unseren Camper, fahren etwas spazieren und suchen außerhalb nach einem Stellplatz. Wir werden letztlich direkt an der Parkgrenze fündig und klappen am Lake of Menteith zum letzten Mal unser Aufstelldach nach oben.

Schon ist es Zeit, sich von unserem lieb gewonnen Camper zu verabschieden. Wir treffen uns am Bahnhof in Stirling und haben es eilig. Ganz in der Nähe finden echte Highlandgames statt!

Wir buchen einen Uber, zahlen happige 28 Pfund Eintritt und sind schwer enttäuscht: Es handelt sich eigentlich um ein Dorffest mit Sportolympiade. Ein paar Radfahrer messen sich im Rund, daneben einige Weitspringer, Dudelsackbands und einige aufgedonnterte Teenager zeigen ihr Können in traditionellen Tänzen. Es gibt viele kleine Imbißbuden, an denen jedoch nur Fish, Chips und Süßigkeiten zu bekommen sind. Ein kleiner Jahrmarkt rundet das wenig idyllische Bild ab und zu guter Letzt trifft uns wieder ein Regenschauer. Wir treten schnell den Rückzug an.

Was noch?

ÖPNV: In London und selbst auf dem Land genügt eine einfache Kreditkarte mit Touchfunktion, um in jeden Bus oder jede U-Bahn zu steigen. Barzahlung ist hingegen nur möglich, wenn der Fahrpreis passend bezahlt wird. Die Abrechnung erfolgt ganz im Sinne des Kunden: Liegt der Preis der Einzelfahrten eines Tages über dem eines 24-Stunden-Tickets, wird trotzdem maximal ein Tagesticket abgerechnet. Ein Papierfahrschein ist gar nicht mehr notwenig.

Für die Fernstrecken nutzten wir die App von Scotsrail, für die Verbindungs- und Liniensuche die App moovit, die uns bereits in Rom zuverlässig und unaufgeregt durch das verwirrende Busnetz navigierte.

Digital, Digital, Digital: Wir hoben jeweils 200 Pfund ab und mussten uns letztlich fast anstrengen, diese umzusetzen. Es gibt Restaurants, Shops oder eben tlw. im ÖPNV, wo Bargeld gar nicht mehr akzeptiert wird. Echtes Geld benötigt man eigentlich nur noch für Trinkgelder.