Johannesburg

Afrika erwartete uns erwartungsgemäß sonnig und kühl. Ca. 16 Grad am Tag bei wechselndem Wetter, kühle Abende und bitterkalte Nächte korrigierten auch real, was sich aus TV-Dokumentationen der staubtrockenen und flirrenden Savanne auch nach dem Studium von Temperatur- und Niederschlagsdiagrammen noch tapfer in unseren gedanklichen Bildern als „gefühlt afrikanisch“ hielt.

Der kostenlose Air-Port-Pick-Up des gebuchten Hostels klappte reibungslos und wir so konnten wir ganz passiv die ersten Bilder auf uns wirken lassen. Und sie wirkten.

Vorbei an festungsgleichenden Häusern und Villen, ging es durch die größte Stadt Südafrikas. Das Sicherheitsbedürfnis der Habenden manifestiert sich in hohen Zäunen und Schildern, auf denen eine bewaffnete Beantwortung jeglicher Verletzungen von Grenzen angedroht wird. („Armed Response“). Die „Nichts- oder Wenighabenden“, „natürlich“ vorwiegend schwarz, bilden hingegen den nicht motorisierten, lebendigen Teil des Stadtbildes, zumindest außerhalb von Shopping Malls und Touristenattraktionen. Beide Seiten beäugen sich argwöhnisch und haben, wie wir im weiteren Verlauf unserer Reise immer wieder feststellen sollten, wenig Berührungspunkte.

Auch in unserem Hostel „Brown Sugar“ wurden wir durch hohe Zäune um den Komplex und einer gefängnisähnlichen Stahlgittertür vor unserer eigentlichen Zimmertür vor „allem da draußen“ geschützt.

Als aufgeklärten, weltoffenen Europäer bereitet einem dies Unbehagen und man kommt nicht umhin zuzugeben, das einem tatsächlich Angst (gemacht) wird. Um diese loszuwerden oder auf ein Maß zu reduzieren, das einem die kommenden Wochen genießbar werden lassen, entschloss ich mich dazu – nach Rückversicherung bei der Rezeption hinsichtlich der Sicherheitslage – zum Supermarkt zu laufen – ja nein, tagsüber sei dies kein Problem, ca. 1,5 km die Straße runter.

Nach 10 Minuten war ich zurück: Nein, ich bin nicht nicht durchschnittlich 18 km/h gejoggt; Ja, ich bin umgekehrt, obwohl nicht viele Leute auf der Straße waren, da dieses klamme Gefühl Oberhand gewann. Es fühlt sich an, als sei man ein Fremdkörper und vielleicht ist man das auch. Man fragt sich, ob es nicht auch daran liegen könnte, dass die „Anderen“ hier in der Mehrheit sind und versucht diesen Gedanken aufgrund der Ansprüche an das eigene Weltbild zu verwerfen, ist aber trotzdem ein bisschen enttäuscht von sich selbst.

Bis zum Abendessen waren dafür die Prepaid-SIM-Karte besorgt und die Anschlussnächte in der Gegend um Blyde River Canyon besorgt.

Am nächsten morgen näherten wir uns Land und Leuten sozusagen auf „neutralem Boden“ in einer Shopping Mall, zu der wir uns vom hosteleigenen Shuttleservice bringen ließen.

Gutaussehende, konsumfreudige Südafrikaner „aller Schattierungen“ schlenderten durch den Einkaufskomplex, der denen europäischer Metropolen in nichts nachstand. In den Läden dudelte aktuelle Musik je nach anvisierter Zielgruppe. Die Preise liegen gefühlt nahe, vielleicht etwas über dem deutschen Schnitt, bei Elektronik jedoch deutlich darüber (Kindle Paperwhite ca. 200 EUR).

Das EINZIGE, nachdem ich suchte – ein paar Flip-Flops – gab es natürlich … nicht und alles Interessante, wonach wir nicht suchten, konnten und wollten wir nicht kaufen, da wir es ein knappes Jahr nach Hause hätten tragen müssen.

Trotzdem: Ein schöner Tag mit Eis zum Abschluss, erfolgreicher Erstkontakt im zweiten Anlauf. Check.

Für den dritten Tag buchten wir kurzentschlossen noch am Morgen einen Ausflug in den Rhino- und Löwenpark (satte 121 EUR). Eine Stunde hin durch Jo’burg, wieder diese andere, vorbeirauschende, arme Welt.

Im Park selbst war es „ganz nett“, vermittelte aber eher das Feeling eines etwas groß geratenen, befahrbaren Zoos. Wir sahen Tiere, auch Löwen, die von uns im Wesentlichen keine Notiz nahmen. Das mehrstündig von unserem Fahrer angepriesene Highlight „You can play with Baby-Lion“ (Spielen mit einem kleinen Löwen) und ein kurzer Spaziergang durch einen noch zooähnlicheren Teil des Parks, inklusive eines sibirischen Tigers (!? warum bloß ?!) beendete unseren Aufenthalt.

Ich bin mir immer noch im Unklaren darüber, wie ich diesen Ausflug abschließend bewerten soll. Welche Botschaft soll vermittelt werden? Respekt und Bewusstsein für die Schönheit und die Vielfalt der Natur? Ist es ok, dass ein Raubtier zum Streicheln angeboten wird? Bekommt man das dann in der Kinderwelt wieder richtig eingeordnet?

Das Land und viele Menschen hier stehen vor größeren Herausforderungen, als die, vor die mich die Lösung dieser Fragen stellen. Für Felipe und uns war es unser erstes großes Abenteuer. Vielleicht ist es ganz gut, dass es vorerst ohne abschließenden moralischen oder ethischen Befund bleibt. Dieser kann schließlich nur auf dem bisherigen Weltbild erfolgen, und dieses soll in den kommenden Monaten wachsen.

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