Schon vor unserer Reise stand fest, dass wir die direkt an der Grenze zwischen Argentinien und Brasilien gelegenen Iguazu-Wasserfälle, eines der großen Unesco-geschützten Naturwunder unseres Planeten, keinesfalls verpassen wollten, absolut indiskutabel diesen Reisetraum unerfüllt zu lassen. Hatte uns die Taxifahrerin vom Flughafen des argentinischen Puerto Iguazu auf dem Weg ins Hostel noch von tagelangen Regenfällen berichtet, kann doch nun eigentlich nichts mehr schief gehen: Wir sitzen wieder im Taxi, alle sind gesund, die Akkus des Fotoapparats frisch geladen und die Sonne strahlt an diesem Morgen. Das werden sicher tolle Bilder, kein Vergleich zu den verregneten Schnappschüssen, die mir gestern einige Jungs im Hotel zeigten. Nur noch wenige Minuten, über dem Urwald ist schon eine feine Wassernebelwand auszumachen …
Als das Wort „cerrado“ fällt, ahne ich Unheil heraufziehen und kurz darauf bestätigt sich das nicht für möglich Gehaltene: die Wasserfälle können heute, zumindest von argentinischer Seite, nicht besichtigt werden, der Nationalpark bleibt zum ersten Mal seit 30 Jahren geschlossen! Der Rio Iguazu führe das Dreißigfache seiner normalen Wassermenge, statt 1.500 stürzen gerade 40.000 Kubikmeter pro Sekunde in die Tiefe. Historischer Rekord! Vielleicht ja morgen wieder. Nach 308 Tagen Anreise und von allen erdenklichen Tagen der letzten 30 Jahre (rechnerisch sind das ca. 10.953 Stück…), mit einer mathematischen Chance von weniger als 0,1 Promille haben wir also den schwarzen Peter gezogen, aus einem Topf voller Gewinne die einzige Niete.
Großes Kino, vielen Dank Schicksal!
Während die argentinische Nationalparkverwaltung ihren „Notfallplan“ in Kraft setzt, leiten wir um 8:52 Uhr unseren Plan B ein: Kurz ins Hotel und auf nach Brasilien zur dortigen Seite der Fälle. Es wird eine mühsame Fahrt der kleinen Schritte. Zum Busterminal, rein in Bus, 10 Minuten zur Grenze, Raus aus’m Bus, argentinischer Ausreisestempel, rein in Bus, 2 Minuten fahren, raus aus’m Bus, Einreisestempel für Brasilien abholen. Der Bus fährt weg, während alle mit den Einreiseformalitäten beschäftigt sind. Warten. Erster Bus, falsches Ticket. Warten. Zweiter Bus. Auch falsch. Knappes „Stündchen“ ist um.
Wir brechen zur unweit entfernten Hauptstraße auf, da dort der direkte Bus zum Parkeingang fahren sollte. Vier Minuten später überholt uns unser eigentlicher Bus, aber der würde sowieso in die Stadt fahren. Wir verschmerzen es, auch wenn „das Gras heute auf der anderen Seite irgendwie tatsächlich grüner zu sein scheint“. Der Bus zum Park kommt nach 10 Minuten und gegen 14 Uhr stehen wir endlich vor dem Parkeingang, gehen rein… und müssen warten… auf einen Bus! Aber diesmal geht es schnell und 10 Mintuen später stehen wir vor reißenden, wütend tobenden Wassermassen, die sich als braune Brühe wenige Meter von uns entfernt mit lautem Getöse in die Tiefe stürzen. Es scheint, als käme das Wasser von überall her, als würde der Urwald überlaufen. Gewaltige Kräfte lassen sich erahnen, zwei kleine Besucherplattformen sind mitten in den Fluten noch auszumachen und werden kräftig um- und überspült. Wir können kaum glauben, dass man dort normaler Weise stehen kann. Die aushängenden Bilder und zu kaufenden Postkarten zeigen eine Urwaldidylle mit toll in Szene gesetzten blauen Wasserläufen, die sich vergleichsweise artig und anmutig über teilweise mehrere Stufen in die Tiefe gleiten lassen. Wir schauen wieder zurück auf das fauchende Ungeheuer, das sich vor uns seinen Weg durch die Landschaft bahnt. Sogar die Angestellten des Parks machen Fotos und alle schauen sprachlos auf diese zügellos erscheinende Naturgewalt, während es bei blauem Himmel durch die aufsteigende Gischt „regnet“.
Auf dem Rückweg erwartet uns die gleiche Prozedur, es geht aber diesmal etwas schneller und wir sind kurz vor Einbruch der Dunkelheit zurück. Keiner zweifelt daran, dass sich unser Trip der kurzen Fahrten gelohnt hat.
Wir sind noch auf der argentinischen Seite und hoffen darauf, dass sich die Lage beruhigt. Heute blieb es unverändert, wurde eher noch schlechter und es wird laut Pressemeldungen an mehreren Stellen mit Überflutungen und Hochwasser gekämpft. Morgen ist unsere letzte Chance, denn am Donnerstagmorgen bringt uns der nächste Flug in die Amazonasmetropole Manaus. Also Daumen drücken, nicht nur für uns, auch für die von weiteren Fluten bedrohten Provinzen.
Wir sind aber schon mal froh, wenigstens die kleinere Seite gesehen zu haben.
Tolle Bilder! Beim ersten Bild bekommt man ja Angst, dass Euch die braunen Fluten überrollen wollen.
Hallo Markus! Das ist ja toll, dass Du hier einen Gruß hinterlassen hast. Da habe ich wenigstens nicht den Eindruck, dass das eigentlich gar niemand liest.. (außer natürlich Mamas und Omas).
Wir kommen übrigens zum Sommerfest des Kindergartens vorbei. Felipe freut sich schon riesig darauf, alle Kinder und „seine“ Ute wiederzusehen.
Bis dahin, Grüße an die Familie,
René, Anke und Felipe