Pauken beim ältesten Spanischlehrer von San Juan del Sur

Erste englische Bruchlandungen und fragende Blicke bei Benutzung meines frei erfundenenen „Italospanischs“ bekräftigten meinen schon lange feststehenden Entschluss, etwas Spanisch zu lernen. Sprachschulen gibt es reichlich und im Schnitt kosten 5 Einheiten à 3 Stunden ca. 125 US$. Auf Empfehlung unseres Hotels fand ich jedoch Vicente (5 Tage à 3h, 65 US$), bei dem ich nun die Schulbank drücke, während sich Anke und Felipe der Schulvorbereitung widmen. Bei der ersten Begegnung war ich etwas skeptisch, zu Unrecht, wie sich herausstellen sollte.

Vicente Lira ist seit langem Witwer, 66 Jahre alt und ein geduldiger Lehrer. Er lebt in dem Haus, in dem er geboren wurde, trägt entweder eine verspiegelte Sonnenbrille mit weißem Gestell oder eine rahmenlose Lesebrille, die an einer weißen Perlenkette um seinem Hals baumelt und bei Kontrolle der Hausaufgaben ganz vorn auf der Nasenspitze sitzt, während er kritisch das Kinn nach vorn schiebt. Er schaut dann immer, als sei alles falsch bevor er entweder beginnt, den Korrekturstift zu suchen, oder unvermittelt „muy bien“ (sehr gut) sagt. Die verbliebenen Haare trägt er frisurlos, trinkt gern Bier auf nicaraguanische Art mit einer Brise Salz (furchtbar!) und  ist auf diese besondere Art schrullig, die ich unerklärlicher Weise mag, während sie andere in zehn Sekunden in den Wahnsinn treiben würde. Fünf Tage à 3 Stunden pauke ich nun mit ihm die wichtigsten Verben und deren Konjugation, grüble abends ūber original-spanische Konstrukte und teste bei allen sich bietenden Gelegenheiten die erlernten Häppchen.

Mit meinen sonderbaren Lehrer feiere ich jeden Tag kleine Erfolge. Wie alle Nicas begegnet mir auch Vicente freundlich, aber etwas reserviert und mit einem gewissen Stolz. Ein Lächeln gibt es nur spärlich umsonst und käuflich ist es erst recht nicht. Es gefällt ihm (und mir) aber trotzdem, wenn ich im Restaurant seinen Cafe mitbezahle(n darf).

Vor einigen Tagen waren wir drei in seinem Haus zum Abendessen eingeladen. Er wohnt beengt im hinteren Bereich seines Hauses, dass er zum Großteil für 200 US$ pro Monat an einen Gitarren- und Okuleleladen vermietet hat. Der Gang zu seinem Zimmerchen ist so schmal, dass er ihn im Seitwärtsgang passieren muss und alles wirkt wie eine provisorische Junggesellenbude: pragmatisch, lieblos und arm und so schätze ich seine Einladung noch mehr, als ohnehin schon. Wir nehmen Platz im kleinen Zimmer, nachdem ich den auf seinen Vorschlag hin mitgebrachten Wein in der Kneipe nebenan habe öffnen lassen.

Nachdem jeder auf einem roten Plastikstuhl sitzt, ist der Raum vollständig ausgefüllt und als die Teller überreicht, werden, wird klar, dass wir ohne Tisch auskommen müssen. Felipe schaut ungläubig und misstrauisch in die Runde, während uns Vicente eröffnet, dass er später essen wolle. Das geht mir dann doch zu weit in Sachen Kautzigkeit. Er lässt sich nur duch meine  freundliche, aber bestimmte Intervention umstimmen und nimmt sich einen Teller vom ausgesprochen wohlschmeckenden Reis mit Hühnchen.

„Höhepunkt“ des Abends wird sein, als er Anke fragt, welchen Beruf sie vor ‚unserer (von ihm fälschlich angenommenen) Heirat‘ ausgeübt habe. Ich amüsiere mich köstlich und sogar Anke muss lächeln. Jeder andere hätte dafür wohl eine ansatzlose Links-Rechts-Kombination kassiert.

Als wir gehen, bedankt er sich (für seine Verhältnisse) ausführlich für unser Kommen und wir schlendern fröhlich zum phänomenalen Eisstand unseres Vertrauens. Ja, ich bin sehr glücklich über meinen sonderbaren Lehrer.

Nicaragua geflällt uns sehr. Nicaragua nos gusta mucho.

Kontakt: Vicente Lira, ask @ „Cyber Leos“, Tel 087-21625

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