Kolonialer Charme, rauchende Schlote und Platz Nr. 44

Die Tage verfliegen während wir am Playa de Maderas surfen, einen Ausflug auf die Vulkaninsel Ometepe  unternehmen oder einfach faulenzten. Der Spuk von Semana Santa war noch schneller vorbei, als er begonnen hatte und San Juan del Sur verwandelte sich innerhalb weniger Stunden wieder in das kleine liebenswerte Städtchen, in dem wir vor zwei Wochen landeten. Die Stimmung nach der großen Sause erinnert ein wenig an Neujahrstage: Alles scheint durchzuatmen. Erschöpfte Stille liegt über den Straßen, viele Geschäfte bleiben geschlossen, die Gassen wirken zeitweise menschenleer, als wäre es nie anders gewesen. Sogar die Familien, die einschließlich ihres jüngsten, geschätzt fünfjährigen Kindes während der letzten Tagen auf dem Gehsteig gegenüber schliefen um tagsüber Sonnenbrillen, Wasserspielzeug und kleine Blumen aus gefalteten Palmenblättern zu verkaufen, sind weitergezogen.

Noch gestern konnten wir aus Not geborene ‚Kaltschnäutzigkeit‘ beobachten, als die Kleine durch ein Restaurant marschierte und zwei Gäste um einige Nachos bat, während sie gespielt ungeschickt ihre Finger schon im Teller hatte. Die zwei ließen sich selbstverständlich eine neue Portion bringen und es war rührend zu sehen, dass sie anstatt eines großen Aufstands zu machen, nicht nur die Reste einpacken ließen, sondern darüber hinaus die Kleine und ihren wenige Meter entfernt stehenden, kaum älteren Bruder zum Essen an ihren Tisch einluden. Es dauerte eine Weile, bis aus sichtbarem Hungerstillen beim Dessert ein wenig Genuss wurde.

Einen Tag später wird es auch für uns Zeit, weiterzuziehen und so brechen wir mit dem „Chicken Bus“ nach Granada auf. Das ist zwar nicht unbedingt bequem, aber unschlagbar günstig und es gilt ja auch nur ca. 100 km zu bezwingen. Direkt an der Hauptstraße dann Umstieg in den Überlandbus, der uns bis zur Stadtgrenze bringt und nach einer weiteren Etappe im kleinen Regiobus erreichen wir den Parque Central, das Herz der geschichtsträchtigen Kolonialstadt Mittelamerikas. Die Kathedrale grüßt uns und im Backyard Hostel kommen wir günstig, aber für Anke etwas zu simpel, unter, so dass wir am nächsten Tag ins Hotel Oasis wechseln und fast das Doppelte für unser Zimmer über den Tresen schieben müssen. Angesichts der hohen Temperaturen sind wir glücklich, dass in beiden ein erfrischender Pool lockt.

Nicaragua ist nach Haiti das zweitärmste Land Lateinamerikas und das ist auch deutlich zu sehen. Zwar fahren über die immerhin asphaltierten Straßen auch reichlich Autos, aber noch immer zählen auch Pferde-, Ochsen- oder Handkarren zum alltäglichen Straßenbild. Übergroße Freundlichkeit kann den Einwohnern auch hier nicht nachgesagt werden. Antworten fallen selbst in Hotels oft knapp aus und ein beiläufiges Lächeln oder dessen Erwiderung fällt vielen schwer. Vielleicht wird dies auf der Straße allzu oft als Einladung zu unerfreulicher Ansprache fehlinterpretiert, denn diese kommen oft recht schnell zur „Sache“, oder es gibt einfach zu viele Sorgen und zu wenig Gründe, etwas Frohsinn in die Umgebung abzustrahlen. Also wird fröhlich ignoriert und mienen- sowie teilnahmslos auf Handys gestarrt.

Die Stadt ist mit ihren bunten Gassen und Kunstgalerien ganz hübsch, aber nicht wirklich umwerfend. Auch das Essen ist eher etwas „grobschlächtig“ und besteht in unterschiedlicher Zubereitung und Variation aus den Grundsubstanzen Maismehl, Hühnchen, Bohnen und Reis.

Lohnenswert ist unser Ausflug auf den Vulkan Masaya. Zwar gehört er höhenmäßig im „Feuerring von Nicaragua“ zu den kleineren Vulkanen, dafür ist er einer der momentan aktivsten. An seinem Kraterrand zu stehen und dem dichten, aufsteigenden und nach Schwefel riechenden Rauch hinterherzuschauen, war für alle sehr eindrucksvoll und lässt die Kräfte erahnen, die dort am und im Boden schlummern und zum letzten Mal vor 240 Jahren in einem Ausbruch zu Tage traten.

Noch in San Juan del Sur werden wir auch erstmalig Zeuge eines deutlich zu spürenden, aber als harmlos empfundenen Erdbebens, das jedoch in der Nähe seines Epizentrums ca. 50 km von der Hauptstadt Managua einige Schäden verursacht. Die Behörden sind seitdem etwas beunruhigt, da einige umliegenden Vulkane, besonders der Momotombo seitdem eine deutlich erhöhte Aktivität aufweisen.

Nach nunmehr drei Tagen und bereits weit über der Halbzeit unseres Aufenthalts in Zentralamerika liegend, entschließen wir uns zur Rückkehr nach San Jose, Costa Rica, um uns von dort aus der karibischen Seite und damit auch langsam Richtung Panama zuzuwenden.

Nachdem Felipe in der Nacht mit einem nervösen Magen zu kämpfen hat, grenzt es an ein Wunder, dass die achtstündige Fahrt direkt neben der stinkenden Boardtoilette ohne unappetitliche Zwischenfälle verläuft. Wir sind damit wieder am Ausgangspunkt und gespannt, ob die Karibik aussieht, wie sie sich anhört. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.