Stippvisite im Alltag

Eigentlich war nur ein Schnorchelausflug gebucht, aber Kenny lud die Teilnehmer zur Stippvisite in sein Heimatdorf ein, was sich als der interessantere Teil herausstellen sollte. Die kurze Stippvisite im Kindergarten (da Samstag, ohne Kinder) und in Kennys Heim gaben einige wenige Einblicke, die den meisten Resorturlaubern verschlossen bleiben dürften.

Die älteren seiner sieben Kinder (6 Mädchen, ein Knirps) und deren Freunde begleiteten uns anschließend aufs Meer um mit kleinen Speeren zu fischen und zwei der geschätzten Zehn- bis Dreizehnjährigen kletterten bei einem Zwischenstopp spielend leicht auf ca. 15 Meter hohe Palmen um aus luftiger Höhe frische Kokosnüsse für alle zu besorgen. Auch wenn das anschließende Schnorcheln die hohen Erwartungen in Fidschi nicht erfüllen konnte, wird dieser Tag lange in Erinnerung bleiben.

Von Leibgericht bis Fototapete

Auf den ersten Blick ist Fidschi ein so friedvolles Land, dass man sich kaum vorstellen kann, dass noch vor weniger als 200 Jahren kriegerische Auseinandersetzungen unter den einzelnen Stämmen einschließlich Kannibalismus den Alltag bestimmten und besonders unbeliebte Rivalen  bei vollem Bewusstsein dabei zusehen mussten, wie die ersten ihrer Körperteile vor ihren Augen zubereitet und verspeist wurden.

Einigen ersten Missionaren erging es nicht viel besser. Besonders katholische Geistliche hatten einen schweren Stand, denn die weitgereisten Single-Männer, denen die mitgebrachte Religion Heirat und Kinder verwehrte, waren den von Männlichkeit, Ehre, Ruhm und Krieg geprägten Einheimischen zutiefst suspekt, so dass man aus der Situation im wahrsten Sinne „das Beste machte“ bis „die Sache vom Tisch war“. Glaubt man den Überlieferungen waren die bleichgesichtigen Seefahrer jedoch nicht gerade eine Leibspeise: „Zu salzig“ seien die Weißen aus Übersee gewesen.

Nun, die Zeiten ändern sich und einige kamen durch. Heute ist die Religion, neben Rugby und Familie, einer der drei Eckpfeiler der hiesigen Gesellschaft, wobei Katholiken, Methodisten, die Christliche Missionskirche, die Zeugen Jehovas, die Advendisten und einige andere oft auf engstem Raum um Seelen und Handgeld der ausnahmslos Gläubigen werben.

Auf unserem Weg in die vormals koloniale Hauptstadt Levuka auf der Insel Ovalau begegnete uns daher vielleicht weniger zufällig als gedacht Pastor John Ryland, ein Priester der CMF-Kirche (Christian Mission Fellowship), der uns zum Einen freundlich zur nicht beschilderten Busstation in Suva dirigierte und uns zum Anderen für Sonntag in seine kleine Kirche einlud, wo der Gottesdienst zum Teil auch auf Englisch vorgetragen werde. Genau so wenig, wie ich die Familie überzeugen konnte, wollte ich mir das unmöglich entgehen lassen und so fand ich mich deutschländerisch pünktlich als vierter Gast kurz vor 10 Uhr im kleinen Raum der CMF mit Blick aufs Meer ein und wurde freundlich begrüßt.

Da die berühmte „Fidschi-Time“ auch beim Spirituellen keine Ausnahme zu machen schien, trudelte der letzte der ca. 50 Besucher eine dreiviertel Stunde später ein. Die bereits Anwesenden hatten sich bis dahin mit unter die Haut gehenden, laut und emotional vorgetragenen Kirchengospel rhythmisch klatschend schon gut eingestimmt. Es folgte ein Vorprediger, der stetig hin- und herlaufend mit gehobener Stimme und geballter Faust allerlei Danksagungen und Wünsche gen Himmel rief, während die Zuhörer mit wohlwollendem Gemurmel und spontanen Halleluja-Rufen ihre ungeteilte Zustimmung zum Ausdruck brachten, manchmal so laut, dass der Geistliche kaum noch zu verstehen war. Die folgende Predigt wurde in Landessprache Fidschi mit erhobenem Zeigefinger kaum weniger laut, teils fast schreiend vorgetragen. Nicht wissend, worum es gerade geht, kann das ziemlich respekteinflössend sein. Irgendwann kam auch „Germany“ vor und alle drehten sich um, während ich hastig versuchte, die etwas peinliche Situation möglichst locker wirkend mit einem leisen „Thank you“ wegzulächeln.

Dann war es geschafft und ich war froh, die Einladung angenommen zu haben, auch wenn mein neuer Freund John Ryland verhindert war. Authentischer kann ein Erlebnis nicht sein, das sich trotzdem so anfühlt, als würde man gerade in einem historischen Film mitspielen. Ich konnte nicht anders und habe eine Tonaufnahme mit meinem Handy mitgeschnitten.

Hier anhören.

Levuka versprüht tatsächlich kolonialen Charme, der einzig durch das Tag und Nacht zu hörende, monotone Geräusch der stromspendenden Industrie-Generatoren getrübt wird. Da unser Zimmer in Claras Lodge nicht über eine Klimaanlage verfügte und das Thermometer weit jenseits der 30-Grad-Marke notierte, profitierten wir nicht mal indirekt davon und lagen stattdessen schweißgebadet in der Hoffnung auf Abkühlung bis tief in die Nacht wach. Auch tagsüber machte uns die feuchte Hitze schwer zu schaffen und saugte jegliche Energie aus unseren guten Unternehmungsvorsätzen. Umzug in die New Mawida Lodge, Klima auf 26 Grad, herrlich und bestens angelegte 30 F$ bevor wir am Folgetag bei strömenden Regen in Inselparadies Caqalai aufbrachen.

Das palmenstrandgesäumte, von Korallenriffen umgebene Backpacker-Resort kann in 15 Minuten zu Fuß umrundet werden und bietet farbenprächtige Schnorchelabenteuer sobald man sich knietief ins Wasser begibt. Ein  fototapetentauglicher Südseetraum mit einfachen, offenen Bungalows (150 F$ inkl. 3 Mahlzeiten = 60 €), die mit Meerblick bestechen und nachts von einer Ozeanbrise auf ein erträgliches Maß gekühlt werden. Das Badezimmer lassen wir dabei mal aus.

Alles könnte so schön sein. Aber nach zwei Tagen Dauerregen sieht sogar das Paradies etwas trostlos aus. So werden wir morgen für die restlichen Tage wieder ins Beachouse fahren um bei anhaltend schlechtem Wetter das dort zur Verfügung stehende kostenlose Internet zur Konkretisierung unserer Pläne für Mittel- und Südamerika zu verwenden und so den Bogen unserer Reise langsam zu schließen. Noch sind es reichlich 100 Tage auf die wir uns freuen, wir denken aber auch immer häufiger an Familie, Freunde, frische Bäckerbrötchen und 1.000 andere Dinge, die uns dann wieder erwarten.

Die stille Krönung des Dschungelkönigs

Die 10 Dollar für den Dschungelausflug zum Wasserfall erwiesen sich als gut angelegte Investition. Zum einen war es für uns zwei Jungs ein erlebnisreicher Abenteuertrek mit mehreren Flussquerungen und einem erfrischenden Bad am Fuße eines kleinen Wasserfalls, zum anderen eine eindrucksvolle Machtdemonstration des freundlichen, älteren Tourguides, der uns Stadtpiefkes mal so richtig zeigte, wo der Hammer hängt. Und das kam so:

Eingestellt war ich auf eine gemütliche Wanderung mit geringem Anspruch an die Geländgängigkeit der Teilnehmer, zumal mir meine vorherige Frage nach zu erwartenden größeren Schlammpassagen verneint wurde. Ein Blick auf die Flip-Flops des Tourleiters ermutigten mich die luftigen Turnschuhe zu schnüren und los ging es.

Wenig später hatten wir schon Mühe, die größer werdenden Matschtümpel zu umkurven. Nach der ersten vorab unerwähnt gebliebenen Flussquerung zerschlug sich auch die letzte Illusion, diesen Tag trockenen Fußes zu beenden. Nun gut: nach Flüssen hatte ich mich ja auch nicht erkundigt. 😉

In den nächsten 15 Minuten wurde es zusehends unwegsamer und praktisch jeder der Teilnehmer landete wenigstens ein Mal halb oder ganz auf dem Allerwertesten. Wir erreichten den Wasserfall durchnässt, verschwitzt und dreckig, als seien wir gerade aus einem Drill-Camp geflohen.

Um genau zu sein, alle bis auf Einen: Felipe wurde hin und zurück vom Tourguide (noch immer be-flip-flopt) ohne nur den kleinsten Ausrutscher getragen, und das in einem Tempo, bei dem wir Mühe hatten, zu folgen. Für uns entfiel jedoch schon beim Erreichen des Wasserfalls das Umziehen und so sprangen wir in die erfrischenden Fluten.

Vom Ehrgeiz gepackt wollte ich auf dem Rückweg auf jeden Fall engen Kontakt halten und so eilte ich dem alten Mann, der meinen Sohn durch den Urwald schleppte, so gut es ging hinterher. Ab und an bot ich etwas halbherzig die Übernahme an, wobei mir nicht ganz klar war, wie ich einige Passagen, selbst ohne Wert auf die vorgeführte Leichtigkeit zu legen, mit dem Knopf auf meinen Schultern hätte meistern sollen.

Angekommen am Waldrand: Außer Atem, von oben bis unten besudelt, von innen und außen vollständig durchnässt, dafür aber mit einem staubtrockenen Hals bot ich müde und vermutlich etwas gequält lächelnd unserem älteren Freund und einem witzelnden Sechsjährigen den letzten halben Liter Wasser an. Mit einem „nee, nee… is ok“ sah ich zu, wie die beiden ihn sich teilten. Fast fühlte es sich an, als würde ich die Schulden aus einer unausgesprochenen Wette begleichen. Kein Zweifel, hier hatte alles seine Richtigkeit.

Zehn lange Minuten später erreichten wir die Unterkunft, ich verabschiedete mich betont langsam, gab gutes Trinkgeld und schüttete mir eine Sekunde später zwei eiskalte Coke an der Bar in den Rachen. Nobelpreisverdächtig.

Bula Fidschi! Urlaub vom Reisen, selbst gemacht.

Unser Fidschi-Airlines-Flug FJ920 brachte uns aus dem trockenen Klima an der Ostküste Australiens nach Fidschi in die feuchttropische Hitze, wie wir sie aus Südostasien gut Erinnerung haben.

Ein Tag im schönen, aber langweiligen „Hotelkäfig“ des Tokatoka-Resort in Flughafennähe war mehr als genug um nach zwei ernüchternden „Beratungsgesprächen“ bei Touranbietern über astronomisch bepreiste Unterkunfts- und Aktivitätenpakete zu der Einsicht zu gelangen, dass auch hier selbst organisiert werden muss.

Wichtigstes Arbeitsmittel bei Familienreisen ohne „Brückenschlafoption“: Sim-Karte um ins Internet zu kommen. Also im lokalen, fensterlosen, schwer in die Jahre gekommenen Bus nach Nadi-City geschunkelt und für 21 F$ (8 Euro) mittels einer Prepaid-SIM-Karte Arbeitsfähigkeit hergestellt. Am Flughafen wurde Ähnliches für das 3,5-fache angeboten, im Hotel wurden gar 25 F$ für einen Tag aufgerufen. Hätte ja klappen können. 😉

Bevor es an Arbeit ging, konnte ich mir den Besuch im Rugby-Stadion nicht entgehen lassen, denn dieser Sport ist hier neben der Kirche so etwas wie die zweite Volksreligion. Gemeinsam mit geschätzten 4.000 Besuchern sah ich mir ca. 3 Spiele an, denn offenar handelte es sich um irgendein Amateurturnier, dass schon seit den Morgenstunden lief und selbst für den Laien war erkennbar, dass hier in spielerischer Hinsicht teilweise „Not gegen Elend“ antrat. Die Zuschauer störte das wenig. Gelungene Szenen beider Mannschaften wurden gemeinsam freundlich beklatscht und Missgeschicke ebenso freundlich belacht.

Nach ihren Einsätzen setzten sich einige der Mannschaften mit auf die Tribüne und pflegten ihre geschundenen Knochen und kleinen Blessuren. Anzeigetafel oder Uhr suchte man vergeblich und so blieben sowohl der genaue Ausgang der Spiele, als auch die Namen der spielenden Mannschaften oder der gesamte Sinn der Veranstaltung zumindest für Auswärtige im Dunkeln. Den Unterhaltungsgrad schmälerte das aber kaum, zumal der Eintrittspreis von 3 F$ (1,20 €) sogar für Backpacker eher symbolischen Charakter hat.

Zurück im Hotel wurden Unterkunft gebucht und Transfermöglichkeiten ausgelotet, so dass wir am nächsten Morgen mit dem Bus zum 200 km entfernten Beachouse im Süden der Hauptinsel aufbrachen. Dies erwies sich als gute Wahl und so haben wir für vier Tage den Anker ausgeworfen. Unser geräumiges Zimmer mit Frühstück (50 € pro Nacht), kostenlose Scones (etwas festere Brötchen) mit Marmelade zur „Tea-Time“, Hängematten am Strand, der erfrischende Pool, eine Bar mit erschwinglichen Preisen und nette Kontakte zu anderen Gästen bescheren uns nun traumhafte Tage unter Palmen.

Heute kurze Stippvisite zum Einkaufen im 30 Minuten entfernten Singatoka, wo wir fűr 5 frische Papayas umgerechnet sagenhafte 75 Cent bezahlten. Yummi! Morgen noch Dschungelwanderung zum Wasserfall und dann muss schon wieder geplant werden, denn das nächste Ziel gilt es noch zu finden. … oder auch nicht und wir bleiben noch, stellt sich doch gerade eine angenehme Urlaubsträgheit ein, von der in den letzten Wochen aufgrund der vielen Ortswechsel und damit verbundener intensiver Planung manchmal nicht viel zu spüren war.

Aber hey, it’s „Fiji-Time“, wie es hier oft zu hören ist und das bedeutet, dass man es bitte gern langsam angehen sollte. Und wer will sich schon auf Reisen lokalen Gepflogenheiten entgegenstellen. 😉